Die hier vorliegende Datei versucht den Sachstand des Themas anzusprechen
und in einer sowohl fachlichen wie allgemein verständlichen Form zu
dokumentieren. Das Ziel ist es, mit dem vorliegenden Text eine jederzeit
aktuelle Grundlage über den Stand unserer Recherche und unseres Wissens zu erarbeiten. Angesichts der Brisanz und Bedeutung des Themas für uns als
Bewohner der Küstenzone ist hier jede Sorgfalt und Korrektheit angebracht.
Vor Kurzem veröffentlichten zwei Wissenschaftler einen in der deutschen
Presse viel beachteten Beitrag zur Gefährdung von Küstenländern gegenüber
dem Anstieg des Meeresspiegels:
KULP, Scott A. & STRAUSS, Benjamin H., (2019): New elevation data triple
estimates of global vulnerability to sea-level data rise and coastal flooting.-
Nature Communincations 10, Article number 4844
Der Beitrag ist ist derzeit im Netz abrufbar.
Die Inhalte wurden bereits in den deutschen Medien angesprochen, zitiert,
allerdings in einer eher allgemeinen, und insgesamt wenig kritischen Form. Die
technischen Probleme hinter den Aussagen der Veröffentlichung wurden dabei
nicht wirklich hinreichend sichtbar und nicht ausreichend angesprochen. Die
Öffentlichkeit wird eher etwas ratlos und erschreckt zurück gelassen.
Zu den Veröffentlichungen in deutschen Medien siehe u.a.:
MÜLLER-JUNG, J., (2019): Das Meer ganz nah – Die Küste ist ein Paradies,
das leider viel verletzlicher ist, als wir ahnten. Über die Zukunft in
Versenkung.- Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ, Nr. 258, Seite N1,
Mittwoch, den 06.11.2019) (dabei auch eine Karte der gefährdeten Küstenbereiche an der südlichen Nordsee, Quelle der Karte z. z. Unklar, siehe
dazu unten mehr).
LAUE , L. (2019): Dem Norden droht Land unter.- Studie : Regelmäßige
Überflutungen bereits in 30 Jahren / Vor allem Nordsee-Inseln betroffenen.-
Ems=Zeitung vom 02.11.2019, S. 5.
Die folgende Datei verfolgt den Roten Faden der Argumentation der beiden
amerikanischen Autoren. Er will zum grundsätzlichen Verständnis des
Sachverhaltes beitragen und eine Aussage zur Korrektheit / Unschärfe der
Aussagen der beiden Autoren einfordern. Dies soll, nach der fachlichen
Diskussion, schließlich in einer allgemein verständlichen Form erfolgen.
Die beiden oben genannten Autoren gingen von einem Meeresspiegel-Anstieg
bis zum Jahr 2100 unter 2 m aus, was dem derzeitigen Stand des Wissens
entspricht. Allerdings bleiben hier deutliche Unsicherheiten der Prognose.
Dieser Punkt wird hier zunächst nicht weiter vertieft. Dies kann beim
Fortschritt der Diskussion erfolgen.
Das Ziel der beiden genannten Wissenschaftler war es, einen solchen Wert des
Anstiegs des Meeresspiegels mit dem digitalen Geländemodell der Küstenzone zu verschneiden, um daraus eine Aussage zur zukünftigen Ge- fährdung von Küsten abzuleiten.
Dieses grundsätzliche Herangehen ist zu begrüßen, aber auch überaus sorgsam und genauso kritisch zu verfolgen. Die Prognose darf in keiner Form politisch manipuliert, weder dramatisiert, noch genauso wenig verharmlost werden. Es darf hier einzig um eine nüchterne, wissenschaftlichfachliche Prognose gehen.
Die kritische Betrachtung beginnt mit dem digitalen Geländemodell: Das
digitale Geländemodell wird unterschiedlich definiert:
Unter dem digitalen Geländemodell (DGM), englisch und international „digital
terrain model“ (DTM) wird das Lage- und Höhenabbild der mineralischen
Erdoberfläche ohne Vegetation und ohne Bebauung verstanden.
Alternative Bezeichnungen lauten „digitales Höhenmodell (DHM), englisch
„digital Elevation Model“ (DEM).
Davon unterscheidet sich das „digitale Oberflächenmodell (DOM), englisch
„digital surface model“. Es kennzeichnet die Abbildung der Erdoberfläche
einschließlich Bewuchs, Gewässer und Bebauung (auch durch Deiche).
Abgebildet wird demnach die Oberfläche von Wäldern und die Dächer von
Häusern (auch Hochhäusern).
Folgend interessiert vor allem das Geländemodell, die mineralische
Geländeoberfläche ohne Vegetation und Bebauung (DEM), das gegenüber dem
DOM grundsätzlich nur die natürliche, mineralische Oberfläche abbildet.
Das Problem beginnt allerdings damit, dass ein DOM-Modell fast globusweit
verfügbar ist und schon deshalb bei Verschneidungen mit dem Meeresspiegel
gerne heran gezogen wird. Dies ist das so genannte SRTM von 2000 (Shuttle
Radar Topography Mission). Das Radarsystem der SRTM ist Teil der
Ausrüstung des Space Shuttle Endeavour Mission.
Dazu gehört das sogenannte SIR-C-System (der NASA), das fast 100% der
Erdoberfläche abdeckt. Allerdings erreicht dies eine Auflösung von nur 30 m
oder von nur 90 m nach Lage. Die vertikale Auflösung liegt bei 1 m (oder auch
deutlich weniger, hier fehlen z. Z. genauere Kenntnisse).
Die Höhenangaben kennzeichnen (als DOM!) nur die Oberflächengestalt mit
Vegetation und Bebauung. Hier sind also grundsätzlich erhebliche Unschärfen
gegeben. Die Erdoberfläche wird nicht als mineralische Oberfläche und bei der
vergleichweise geringen räumliche Auflösung, nicht im Detail abgebildet.
(Stichwort Fehleranfälligkeit): Außerdem können Messfehler „Löcher“ in der
Darstellung erzeugen. Die Küstenlinie kann bei Flachheit falsch abgebildet
werden. Die horizontale Auflösung von 90 X 90 m kann kleinere
Geländeformen verdecken. Weitere Fehlertypen sind nicht auszuschließen.
Insgesamt ist festzustellen, dass die SRTM-Anwendung zahlreiche
Fehlerquellen enthält. Korrekturverfahren sind in Erprobung.
Eine messtechnisch deutliche Alternative für diese Form des digitalen
Oberflächenmodells (DOM!) stellt die Airborne Lasercan-Befliegung das
(ALS). Dies ist die LIDAR Technik (Light detection and ranging).
Die Vermessung erfolgt dabei durch Laser-Technik: Ausgesandte Laserimpulse
werden zurück geworfen, aufgefangen und messtechnisch ausgewertet.
Die Laufzeitmessung erlaubt eine Aussage über die Höhenlage des gemessenen Punktes. Gemessen wird von Drohnen, Helikoptern und Flugzeugen einer Flughöhe von zumeist 20-6000 m.
Die Messgenauigkeit dabei übersteigt die SRTM-Anwendung bei weitem und beträgt bei der Lidar-Technik vertikal 0,05 – 0,2 m (realistisch i. A. 0,10 m) und
horizontal 0,2 – 1 m. Starke Neigungen können Fehlsignale hervorrufen.
Zentrales Problem für die beiden oben genannten Forscher war, wie
angedeutet, die vergleichweise geringe räumliche Auflösung der SRTM-Daten
der NASA, ihre Natur als DOM-Daten und ihre sonstige Fehleranfälligkeit (wie
oben unter Fehleranfälligkeit angedeutet).
Die SRMT-Daten entstehen durch Abtastung der Oberfläche von Vegetation,
auch der Oberfläche von Waldungen und (Hoch)Häusern, nicht aber der
wahren, mineralischen Erdoberfläche.
Die beiden Autoren eichten die SRTM-Radarmesswerte durch Messungen der
Lidar-Lasermessungen und schufen damit ein verbessertes Datennetz, das sie
„CoastalDEM“ nannten. Die Autoren behaupteten eine Verminderung des
vertikalen Messfehlers von 4,71 m auf 0,06 m, demnach eine Präzision um 2
Zehnerstellen bei ihren regionalen und großregionalen Korrekturen des SRTMGeländemodells, das sie, aus ihrer Sicht, vom DOM in ein DEM-Modell
transformierten.
Als ihr Ergebnis hielten sie fest, dass weltweit eine ungleich größere Zahl
Menschen als Küstenbewohner vom steigenden Meeresspiegel betroffen sein könnten, etwa die dreifache Anzahl, als bislang berechnet.
Für eine auch optische Aussage zur Gefährdung der südlichen deutschen (aberauch dänischen und niederländischen) Nordseeküste wurde dem FAZ-Beitrageine „Gefährdungskarte Nordseeküste“ beigefügt. (Die Karte wird folgendimmer nur unter diesem Namen aufgeführt).
Sie enthält. In Rot gekennzeichnet, die gefährdeten Zonen der Nordseeküste.
Demnach sind nicht nur Hamburg und Bremen, sondern such ganz
überwiegende Teile von Ostfriesland (außer dem zentralen Hochmoor- und
Geestkern) und die breite Ems-Zone über das Rheiderland nach Süden bis
deutlich südlich von Papenburg im Sinne der Karte gefährdet.
Das Problem beginnt mit der Frage nach der Urheberschaft der
„Gefährdungskarte Nordseeküste.“ Nach Studium des Beitrags von KULP und
STRAUSS (2019) wurde sie nicht von den beiden Autoren in ihrem genannten
Beitrag veröffentlicht. Allerdings erscheint sie im Netz im weiteren
Zusammenhang mit ihrem Artikel, zusammen mit Gefährdungskarten etwa von
Bangladesch u. a.
Als Quelle der Karte nennt der Beitrag der FAZ: „coastal.climatecentral.Org /FAZ.- Bearbeitung Sieber“
Diese Angabe müsste man so lesen, dass die „Gefährdungskarte Nordseeküste“
grundsätzlich von den beiden Autoren von der Universität Princeton stammte,
dass sie dann aber im Auftrag der FAZ um- oder nachbearbeitet wurde.
Die erste Frage lautet demnach: Wie verhält es sich genau mit der
Urheberschaft dieser „Gefährdungskarte“?
Die zweite Frage lautet: Wie haben die beiden Autoren KULP und STRAUSS
(2019) die abgebildete Gefährdung definiert?
Die dritte Frage lautet: Wie korrekt und wie ausreichend ist die Korrektur-
Berechnung durch KULP und STRAUSS (2019) im Sinn ihres CoastalDEMs?
Wie weit entspricht die von den beiden Autoren definierte Gefährdung den
fachlich aktuell realen Bedingungen?
Dazu gilt es im Team weiter vertiefte Informationen und Recherchen
einzuholen.
Die Recherche zielt insgesamt darauf, aufzuklären, wie real die von den beiden
Autoren genannte Gefährdung im Bereich der südlichen Nordsee fachlich
einzuschätzen ist und wer sich in der öffentlichen Verwaltung mit dieser Frage
beschäftigt?
(Diese Datei versteht sich als Sammlung der wichtigsten Daten zur genannten
Fragestellung und wird entsprechend aktualisiert).
(Team Frage Gefährdung Nordseeküste)