Namen von Kriegerinnen und Kriegern zur Zeit der Völkerwanderung und im Frühmittelalter

Waren unsere Vorfahren die großen Krieger und Kriegerinnen?

Für das Kulturschaffen von Papenburg, unserer erst 1631 gegründeten Stadt, bleibt es ein Anliegen, gleichwertig auch die Zeit, „bevor es Papenburg gab“ darzustellen, um mit der Ausleuchtung auch der älteren Schichten der Geschichte die unteilbare Kontinuität unserer Kultur aufzuzeigen.

Die folgenden Gedanken sollen den langen Weg unserer Kultur darzustellen, dies aus der Kombination von Schriftquellen, Sprache, Archäologie, Kunst, Religion leisten, um Elemente der Identität und Weltwahrnehmung dieser Menschen frei zu legen, eine Identität, die bei Betrachtung der genannten Einzeldisziplinen alleine nicht ansatzweise deutlich wird: Lassen sich Elemente der Identität unserer Vorgänger zwischen Römischer Kaiserzeit und Frühmittelalter deutlicher als bislang erfassen? Welchen Stellenwert nahm das Kriegerische ein? Die Argumentation wird für Krieger und Kriegerinnen folgend getrennt geführt.

DER KRIEGER

Mit dem Übersetzen der Hunnen über den südrussischen Don, stießen sie in den Wanderzug der Goten aus Wagen, Karren, Frauen, Kindern, Kriegern, Tieren. Nichts blieb übrig als vor den hoch mobilen, extrem brutalen Reiterkriegern und ihrem überharten Angriff, nach Westen auszuweichen (375 n. Chr.). Die Welle der Vernichtung bleibt hier nur unvollkommen anzudeuten.

Mit den Hunnen erhielt die längst in Bewegung geratene, überwiegend germanische Völkerwanderung, ihre entscheidend vernichtendes Plus an zeitweilig extremer kriegerische Härte im Kampf ums Überleben-Wollen (375-568 n. Chr.).

Die kriegerische Selbstbehauptung rückte in den Lebensmittelpunkt, wurde zum notwendig beherrschenden Element nur zu häufig gewalttätiger Alltagswirklichkeit, wurde Kern der Werte und der Ethik.

Was Wunder, dass sich das Kriegerische zunehmend im Namen niederschlug.

Dabei hatte es bereits deutlich früher in germanischen Personennamen Anklänge an Eigenschaften verehrter Tiere (theriophorer Namen) i gegeben, nun aber, spätestens mit dem 4. Jh. n. Chr, als das Kriegerische noch mehr in den Mittelpunkt des Lebens und des Überlebens rückte, fand dies zunehmend seine Ausdrucksform in den Personennamen, die nun all beherrschend, Eigenschaften mythisch verehrter Tiere, magisch, symbolisch in den Namen der Krieger übertrugen.

Klugheit, Stärke, Ausdauer, Härte, Überlebenswille des Wolfes etwa, waren hoch geeignet, das Bild des Wolfes (und zahlreicher verehrter Tiere sonst) ii mit dem des Kriegers zu verbinden, dem Kämpfer geradezu die überlegenen Tiereigenschaften magisch aufzustempeln, etwa wie bei der Namensgebung der Familie der Gotenkönige oder jenes Fürsten der Alemannen Vithicahius (*um 300/320, +368 n. Chr.), dessen Namen *Widu-gaujaz, „Wald-Beller“, bildlich den Wolf bezeichnete. iii

Diese Sitte erlebte mit dem 4. Jh. den großen Aufschwung. Im Zusammenhang mit dem Kommentar zum Matthäus-Evangelium (Opus imperfectum in Matthaeum) iv beschrieb ein christlicher Geistlicher die aus seiner Sicht verachtungsvolle Sitte dieser Namensgebung (5. Jh.):

Und so pflegen auch die barbarischen Völker ihren Söhnen Namen aufzuprägen mit Blick auf die Zerstörungskraft wilder Tiere oder Raubvögel, und sie halten es für ruhmvoll, solche Söhne zu haben, die zum Krieg geeignet sind und unersättlich in ihrer Blutgier.“

Solche „theriophoren“ v Namen bildeten nunmehr einen wesentlichen Anteil der germanischen Namenswelt dieser Zeit. Damit scheinen nicht nur die Namen Ausdruck der kriegerisch gewalttätigen Wirklichkeit der Wanderzeit zu sein, genauso fand dies seinen Niederschlag in der nunmehr deutlich vermehrten Darstellung verehrter Tiere im Kunst- und Verbrauchsgut, etwa an Waffen und Gürtelschnallen der Krieger. Die Abbildung mythisch verehrter Tiere bildete einen bedeutenden Teil der Kunst der Zeit.

Solche Darstellungen gehören zum „germanischen Tierstil.“ Bezeichnend dafür sind ineinander verflochtene, stilisierte Tiere und Menschen. Die abgebildeten Körper können stark abgewandelt und nur noch an bestimmten Eigenschaften erkennbar sein. Die Ausformungen folgten strengen Regeln mit geringen Tendenzen individueller Gestaltungsfreiheit. Zwar entwickelten sich die Formgebungen weiter. So lassen sich verschiedene Stilformen unterscheiden (Stil I um 450-570, Stil II um 570-um 750 n. Chr.), die aber z. T. auch zeitgleich an einem Objekt auftreten können.

Dargestellt wurden hauptsächlich Wölfe, Eber, Vögel, Pferde. Solche Abbilder sind nur im engen Verbund mit den theriophoren Namen zu verstehen und stellen magische Heilsbilder der in den Namen genannten Tiere dar: Somit bilden die Darstellungen des Tierstils und Namen eine untrennbare, innere Einheit.

Im 4. Jh. n. Chr. liegt das hauptsächliche Aufblühen und Wachsen solcher von Tieren abgeleiteten Namen, die den immer erneut aufflammenden Kriegszustand, die blutgetränkten Siege und Niederlagen der Zeit entsprachen.

Stand der Krieger bereits während der römischen Kaiserzeit hoch in Ehre, so steigerte sich dies noch weiter mit dem Hunnensturm der Völkerwanderung (um 375 n. Chr.): Die Tiernamen und insgesamt die Namen um Krieg und Kampf spiegeln das höchste Ansehen des Kriegers in einer (sonst in Friedenszeiten) bäuerlich geprägten Welt. Dabei hatte die Welt der germanischen „Völkergruppen“ eine solches Maß an Kriegertum erreicht, dass sie dem römischen Militär das Fürchten lehrte. Etwa in der Schlacht von Adrianopel (heute Türkei) (378 n. Chr.) erlitten die Legionen des Imperiums ein vernichtendes Desaster. Schon die kaiserlichen Vorgänger waren bestrebt gewesen, Germanen in großer Zahl in die Armee aufzunehmen, um sich deren Kampfkraft zu bedienen. Welcher Beweis könnte nachdrücklicher das Ansehen dieser Krieger sonst beweisen?

Es klänge folgerichtig, anzunehmen, diese vorchristliche Namenswelt hätte sich mit aufkommendem Christentum verändert, (ab etwa 800 n. Chr.), doch diesbezüglich bestehen manche Fragen. vi

Eher nahm die Anzahl der Personennamen nach den Eigenschaften verehrter Tiere (nach 800 n. Chr.) weiter zu und erreichte auch mit der Festigung des Christentums, mit der „zweiten Christianisierung“ (ab etwa 1050 n. Chr.) von der Menge her die große Anwendung. Erst dann begann sich die Zahl der verschiedenen theriophoren Namen zu vermindern, während die Sitte solcher Namensgebung sich weiter sehr lange, ja bis heute hielt. Dabei stellt sich die Frage, wann die Namensgebung dieser Art ihren Sinninhalt verlor und sich zur inhaltsleeren Sitte wandelte.

In der Spätphase der Bilddarstellungen kriegerisch verehrter Tiere (Tierstil II, 7/8. Jh. n. Chr.) wurden die Tierabbildungen zunehmend stärker abstrahiert und sind, verschlungen im Flechtwerk, immer schwerer als solche zu erkennen.

Obwohl die inhaltliche Auflösung der Namenssitte, nach heutiger Kenntnis, vermutlich erst deutlich nach 800 einsetzte, kann die Formauflösung der Tierabbildungen als ein Element zum langsamen Schwinden des inhaltlichen Verständnisses der Namenssitte verstanden werden:

Gleichwohl blieb die Verehrung des kriegerisch Wehrhaften aktuell bestehen. Die Bedeutung des Kriegerischen nahm in der überharten Zeit der Normannenabwehr (ab 810 n. Chr.) in Gesamt-Friesland noch wieder deutlich zu und wurde zur Frage des Überlebens bei der Abwehr der skandinavischen Plünderer und Menschenräuber an der Küste und an den Flüssen unserer größeren Region: Die Bedingungen der Zeit erzwangen jede Härte und musste nicht bewiesen werden.

Vor diesem Hintergrund ging die kriegerische Namensgebung ihrer inhaltliche Bedeutung erst viel später verlustig: Das hoch Kämpferische blieb über Generationen überlebenswichtig aktuell.

Vielleicht entwickelte das Kriegerische auch neue Ausdrucksformen. Die Geistlichkeit scheint die Tier-Namensgebung auf dem lang gestreckte Weg der Christianisierung nicht deutlich bekämpft zu haben. Allerdings trug das Christentum auf Dauer schleichend dazu bei, das inhaltliche Verständnis der Namenssitte zu verwässern: Auf dem langen Weg der Auflösung einen Zeitpunkt des Endes zu benennen, erscheint sehr schwierig: Mit dem wirklichen Erstarken des Christentums in unserer Großregion (ab etwa 1050 n. Chr.) und dem zeitgleichen Auslaufen der Normannenüberfälle begann sich die Zahl der verschiedenen theriophoren Namen zu vermindern, während die Zahl der Anwendungen solcher Namen sich sehr lange hielt. vii
Mit dieser wirklichen, sprich „zweiten Christianisierung“ begann sich das „innere Verständnis“ dieser Namensgebung aufzulösen.

Christliche Namen kamen in nennenswerter Menge erst deutlich später, doch dann massiver auf.

Die Tier-Namen verminderten sich nach Menge, doch blieben sie, nun zusammen mit den zahlreichen christlichen, bis heute. Die Alt-Namen, die Kriegernamen, bilden eine der Brücken der Erinnerung durch all den großen Wandel, durch den das Christentum Vorchristliches weitgehend überwucherte und umgestaltete, doch in der Namensform nicht vollends löschte.

DIE KRIEGERIN

Nur wenige Quellen sprechen von der Germanin als von der Kriegerin:

Als Kriegerin wurde sie in der Historia Augusta („die Geschichte des Erhabenen“) dargestellt, eine Sammlung von 30 Lebensläufen römischer Kaiser (der Zeit um 117-285 n. Chr.), vermutlich geschaffen von einem einzigen Verfasser (um 400 n. Chr.). Bei aller Gelehrsamkeit des hoch gebildeten, ansonsten unbekannten Schreibers, enthält die Darstellung zahlreiche Fehler, auch fiktionale Elemente, so dass der Quellenwert des Werkes von der aktuellen Forschung in vielen Einzelheiten als unzuverlässig eingeschätzt wird.

Die Nachricht der als Kriegerinnen auftretenden Germaninnen erscheint im Zusammenhang mit der Vita des römischen Kaisers Aurelian (*214, +275 n. Chr.). Gegen Ende der militärisch-politischen Krise des Imperiums romanum sah der seine Militärkräfte von einem so heftigen und verlustreichen Abwehrkampf gegen gotische und andere germanische Völkerschaften im West- und Nordteil des römischen Reichs gebunden, dass der Osten des Reiches (heute Vorderer Orient, Syrien, Palästina, Ägypten) zeitweilig der Herrschaft Roms krisenhaft entglitt und schließlich von der zunehmend mächtigeren Königin Zenobia von Palmyra (Syrien), (*um 240, +272/3 oder nach 274) militärisch vereinnahmt wurde.

Es dauerte Jahre bis Kaiser Aurelian die Rückeroberung des Ostens gegen die militärisch hoch gefährliche, inzwischen kriegerisch zunehmend gleichrangige Zenobia beginnen konnte.

Erst nach einem erschöpfenden Kriegszug mit mehreren verlustreichen Schlachten gelang Aurelian die Belagerung und Eroberung der unzureichend befestigten Stadt Palmyra.

Erst nach Niederschlagung von Aufständen in Ägypten und Gallien (heute i. w. Frankreich) sah sich der Kaiser auf dem Höhepunkt seiner Macht, die er mit gewaltigem Pomp durch einen Triumphzug in Rom öffentlich darstellen und feiern ließ.

Wir könnten es heute als eine Riesenschau bezeichnen, mit der er die besiegte Königin Zenobia und den Rebellen aus Ägypten leibhaftig und demütigend wie gefangenen Tiere im Triumphzug mitführen ließ. Alle Mühe verwendete der anonyme Verfasser der Kaiservita auf die Darstellung der von Gold und Edelsteinen strotzenden Kleider und Ketten der Gefangenen, um mit exotischem, ja überwältigendem Reichtum auch deren äußerste Gefährlichkeit ganz augenscheinlich vorzuführen.

Im Triumphzug mitgetragene, große Schrifttafeln enthielten die Namen der unterworfenen und durch Ketten gebändigten Menschentiere aus fremden („barbarischen“) Völkerschaften und bewiesen auch dadurch die Allmacht des unbesiegbaren römischen Imperiums, seiner göttergleichen Herrenmenschen und seines Kaisers Aurelian.

Genau an dieser Stelle notierte der anonyme Schreiber der Kaiservita: viii

„Ductae sunt decem mulieres, quas virili habitu pugnantes inter Gothos ceperat, cum multae essent interemptae, quas de Amazonum genere titulus indicabat: praelati sunt tituli gentium nomina continentes.“

(Übersetzung): (Im Triumphzug mit)geführt wurden zehn Frauen, die er (Aurelian) gefangen genommen hatte, als diese nach Männer Art (von Aussehen und Bewaffnung) unter den Goten kämpften, und es gab dazu eine große Zahl (anderer Frauen), die angeblich den Tod gefunden hatten. Ihre Namenstafel verwies auf das Geschlecht der Amazonen: Voran getragen wurden Hinweistafeln, die ihre Namen führten.“

Jenseits der mit Gold und Edelsteinen behängten Wunderwelt der Besiegten sollte hier nochmals als Steigerung des Unfassbaren, das exotisch Andere der Fremden („Barbaren“) vorgeführt sein. Dazu gehörte dann auch, (nach der Textbeschreibung), die im Vergleich zum Römischen auf den Kopf gestellte, angeblich aggressive Weiblichkeit gotischer Frauen als die Kriegerinnen. Dabei wurden die Kämpferinnen leibhaftig in Kriegerkleidung vorgeführt. Viele andere solcher Frauen seien angeblich im Kampf getötet worden.

Zwischen tatsächlich Sichtbarem und Mythos schwebend bemühte der Schreiber den zu dieser Zeit noch allgemein bekannten Krieg um Troja. In dem verkörperten die Amazonen unter ihrer Königin das exotisch Andere („Barbarische“). Wie dort der unsterbliche Held Achilles, als Sieger über die Amazonenkönigin Penthesilea gefeiert wurde, kehrte nun Aurelian als Bezwinger Zenobias zurück, nun Herrscher über das kriegerisch Weibliche im Wunschtraum exotischer Erotik.

Soll man unter solchem Kontext die hier genannte Textüberlieferung als glatte Tatsachen-Wiedergabe durchgehen lassen? Genau das hatte bereits der französische Übersetzer und Historiker der Aurelian-Vita, Philippe REMACLE (1844/47) erheblich angezweifelt. Er glaubte in der Kriegerkleidung der Gotinnen eine „Verkleidung“ für den Triumphzug zu erkennen.

Im Sinne dieser Art Textdeutung übersetzte er „quas virili habitu“ (im Aussehen, in der Art von Männern) als „qui avaint été déguissés en homme“. Er sah die Gotinnen als Frauen, „die als Männer verkleidet worden waren.“

Der Textzusammenhang des Triumphzugs mit der Bemühung einer überbordenden Fantasie des Exotischen könnte hier so verstanden werden, als stelle man jede römische Alltags-Erfahrungswelt vollkommen auf den Kopf. Wenn hier selbst mythische Amazonen-Kriegerinnen sensationell sichtbar vorgeführt wurden, dann bleiben Zweifel übrig, in diesem Textzitat leichthin das Abbild des realen Geschehens bei diesem Triumphzug und der Alltagsrealität zu sehen.

Dadurch erhöht sich die Möglichkeit die Glaubwürdigkeit dieser Hauptquelle von Germaninnen als Kriegerinnen (notiert um 400 n. Chr.) in Frage zu stellen. Was sagen andere Texthinweise?

Mit der jüngeren Römischen Kaiserzeit (ab etwa 160 n. Chr.) war es Cassius DIO (*um 163, Bithynien, Kleinasien, +229/236 n. Chr.), Sohn aus begütertem Beamten Adel, Senator, der als Historiker ein Riesenwerk von 80 Bänden der römischen Geschichte schuf (Historia Romana). Er gilt als geschätzter, unbedingt seriöser Historiker.

In (Historia 71, 3,2) merkte er an „auf den Schlachtfeldern wurden unter den toten Körpern der Fremden („Barbaren“) auch Leiber von Frauen in der Ausrüstung als Kriegerinnen aufgefunden.“

Die Anmerkung stammt aus der Zeit der Markomannenkriege (166-180 n. Chr.) des Kaisers Marcus Aurelius (*121, +180 n. Chr.): Der führte mit den nördlich der Donau lebenden Völkerschaften, den Markomannen, Quaden und Zazypen zwei langwierig schwere Kriege (166-175 und 178-180). Es gelang den Markomannen und den Quaden zeitweilig bis nach Norditalien zur Adria vorzustoßen. Die Angreifer eroberten und zerstörten 167 Opitergium (Oderzo, Venetien). Sie wurden erst unter Aufbietung aller römischer Kräfte kriegerisch zurück gewiesen. In diesem Zusammenhang war die Rede von den toten Frauen in Kriegerkleidung während der Markomannenkriege (166-175 n. Chr.).

Unklar bleibt, ob die Germanengruppen nur als Kriegerscharen über die Donau kamen oder auch im Treck mit Frau und Kind. So bleibt ungewiss, aus welcher Form des Kampfgeschehens die weiblichen Toten stammten.

Mag die Notiz des Cassius DIO auch glaubwürdig scheinen, so bleibt der Sachzusammenhang und damit die Bewertung der Quelle schwierig: Bei der hier genannten Teilnahme germanischer Frauen als Kriegerinnen im Kampf bleibt die Frage, ob die Frauen im Normalablauf des Krieges mitkämpften oder nur im Fall von Ausnahmelagen. Die Antwort bleibt hier schwierig.

Im Verlauf des 8. Jh. n. Chr. behauptete Paulus DIACONUNS (*725/730, +800) in seiner Langobardengeschichte, kriegerische Frauen lebten innerhalb Germaniens, wobei seine Kurzanmerkung ohne weitere Vertiefung und ohne Zusammenhang verblieb.

Kann man versuchen, die Bruchstücke unserer Suche nach dem Geheimnis der Germanin als Kriegerin im Zusammenhang noch tiefer zu erkunden? Keine der genannten Quellen bleibt ohne Schwierigkeiten.

Keiner der Hauptgewährsleute der Überlieferungen über die Germanen, weder Gaius Julius CAESAR (mit seiner „Geschichte des Gallischen Krieges“, 58-50 v. Chr.), noch TACITUS (mit seiner Darstellung Germaniens, 98 n. Chr.) beschrieben germanische Frauen als Kriegerinnen.

Dies galt allerdings nicht für verzweifelte Ausnahme-Augenblicke. Dazu gehörte etwa bei den Kimbern und Teutonen die Endphase einer Schlacht, in der die unterlegenen Männer zur Wagenburg zurück fluteten und alles verloren schien.

In solchen Augenblicken chaotischen Untergangs griffen Frauen selbst in den Kampf ein, sei es wie Furien zur Ermutigung der Männer oder zur Verteidigung der Kinder, der Alten mit der Waffe in der Hand oder um durch schließliche Selbsttötung dem gnadenlosen Feinde zu entgehen. Der chaotische Endkampf bot nur die Aussicht auf Vergewaltigung, Versklavung, auf ein Vegetieren als schattenhafte Dienerin, als Sachgegenstand ohne Würde, als nicht mehr stolze Selbstbestimmte und ohne alle, die man liebte: Dies war ein Nichts.

Außer dem Verhalten in solcher Verzweiflungslage spricht keine Quelle mit Eindeutigkeit für eine aktive Rolle der Germanin im laufenden Kampfgeschehen bei der Wanderung der Kimbern und Teutonen während der jüngeren Eisenzeit (113-101 v. Chr.) bis hin zur älteren Römischen Kaiserzeit (um 58 v. Chr. – um 98 n. Chr.).

Man muss den Hinweis des Cassius DIO (*um 169, +229/236 n. Chr.) auf tote Frauenleiber in Bewaffnung im Markomannenkrieg als seriöse Quelle sehen. Dabei bleibt aber durch diese nur beiläufige Anmerkung offen, ob Frauen schon mit Beginn der Schlacht mitkämpften oder erst in der chaotischen Endphase angesichts des Endes in den Kampf eingriffen, dies im Angesicht des Alles oder Nichts beim brutalen Untergang, der jeden Maßstab aufhob.

Genau dies, die Frau als Kämpferin im Endkampf und angesichts des Untergangs, erscheint gesichert. Nimmt man dies als Ergebnis ernsthafter Forschung, der es einzig um die Wahrheitssuche geht, bleibt zu fordern, die Weltuntergangs-Brutalität des Endkampfes zu vergegenwärtigen, der Ausnahmeaugenblick des Todes.

Hätten Germaninnen, wie gewohnheitsgemäß, von Anfang in Schlachten mitgekämpft, hätten römische Schriftsteller solche Andersartigkeit der Frauen (im Vergleich zu römischen) vermutlich stark heraus gestellt, was nicht der Fall ist: Dies darf als Hinweis gelten.

Die Germanin als alltagsübliche Kriegerin hätte sich vermutlich auch nicht so tief ins Patriarchat einbinden lassen, wie die Quellen dies berichten. TACITUS nannte (in der Germania) wie oft den Priester, doch nie die Priesterin, selbst der geistliche Diener der weiblichen Göttin Nerthus war ein Priester und keine Frau war nach Untersuchung der Quellen Trägerin öffentlichen Rechts. Die Inschriften auf den Runensteinen nannten sie nicht als Kriegerin.

Dafür blieb ihr innerfamiliär ein großer Freiraum der Hochbedeutung, als unverzichtbare Ratgeberin, Planerin, gefragte Heilerin und Runenkundige.

Wie weit der Krieger in Ehre stand, lässt sich punktförmig anhand des Hildebrand-Liedes darlegen: Wenn dieses Lied der Kriegerehre, aufgeschrieben nach Vorlage von zwei Mönchen im Kloster Fulda (830/840 n. Chr.), noch zu dieser Zeit des Niederschreibens wert war, vielleicht auch nur als „Schreibübung“, so zeigt bereits dies, dass es (entstanden im Umfeld Theoderichs, *um 451,+526) auch 340 Jahre später offenbar noch so bekannt war, dann sagt dies Manches über den Rang des Kriegers auch zu dieser Zeit (830/840 n. Chr.): Die Konflikte der Kriegerehre erschienen offenbar auch nach 15 Generationen noch so des Schreibens und Erinnerns würdig.

Die Spurensuche nach der Germanin als die Kriegerin wird durch ihre Namensgebung für uns Heutige beleuchtet, doch dadurch kaum erleichtert:

Nach derzeitigem Kenntnisstand trugen Frauen zwischen Völkerwanderung und Frühmittelalter in Germanien ebenfalls von Tiereigenschaften abgeleitete (theriophore) Namen, wie solche die Männer als Krieger führten. ix

Jedenfalls wurde die Frau in den Namen so bezeichnet, als wäre sie die Kriegerin. x

Erschienen Tiereigenschaften im Sinn der Kampffähigkeit wünschenswert, so eröffnete sich mit der Namensgebung der Glaube, ein Mensch könne tatsächlich solche Tierhaftigkeit in sich tragen, sich vielleicht sogar in das verehrte Tier verwandeln.

Aber wann kam dieses Denken besonders auf? Die Forschung merkte an: xi
Das im Bereich der Frauennamen spärliche Quellenmaterial der antiken Überlieferung während der Völkerwanderung, (375-568 n. Chr.) bietet zweigliedrige Namen, deren einer Bestandteil, -gundis /gunda oder -hildis/hilda als Bezeichnung auf Kampf und Kämpferin verweist: Damit entstanden mit der Völkerwanderung weibliche Vornamen (etwa Gunda, „die Kämpferin“, Hiltrud, „die Kampfgewohnte“, Wolfhild, „die Kämpferin, kraftvoll, zäh, mutig einer Wölfin gleich u.a.).

Neben des theriophoren Namen waren auch kriegerische Namen für Frauen (und Männer) üblich, die sich von Kriegswerkzeugen (Schwert, Speer, Brünne u.a.) ableiteten. xii

Was bedeutete diese Namenssitte in einer Zeit, in der solche „sprechenden Namen“ in der Alltagssprache wörtlich verstanden wurden? xiii

Diese Namen häuften sich in Zeiten immer wiederkehrender Gewalt. Kriegerische Fähigkeiten standen auch für Frauen hoch in Achtung, bildeten die Überlebensfrage. Das Kriegerische stand hoch im Wert.

Unverständlich erscheint die Tatsache, dass in der Forschung nicht noch tiefer nach den Ursachen gefragt wurde, warum auch die Frau ihren Namen als Kriegerin erhielt.

Wie weit bildeten diese Namen die Realität ab? Oder aber sollten solche Kriegerinnen-Namen den Frauen magisch kämpferische Wunsch-Fähigkeiten aufprägen, wenn sie schon nicht das Abbild des alltäglichen Standes der Frau als Kriegerinnen waren?

Was sagten die Quellen bislang? Die Germanin war nach diesem Wissenszwischenstand keine Kriegerin im gängigen Sinn. Was war die Lebensrealität? Die Völkerwanderung schuf neben Phasen friedlicher Ruhe dann wieder auch Zeiten des Aufbruchs, der Gewalt und dabei solcher Gewalt-Exzesse, die nur noch Aussicht auf Tod, Versklavung und kein Leben boten. Auch die Natur schuf keine sanften Randbedingungen.xiv

In solchem Endkampf, wenn kein gängiger Maßstab weiter galt, scheinen Germaninnen im Mut der Verzweiflung als Kriegerinnen das Letzte von sich abverlangt zu haben:

Zeitbedingt stand das Kriegerische sehr hoch im gesellschaftlichen Wertekanon, dies mit der Völkerwanderung und durch das Frühmittelalter. Dieser Grundton spiegelt sich in der Namensgebung für Mann und Frau zur kriegerischen Selbstbehauptung.

Dies war kaum die Zeit des sanften Umgangs, des Einvernehmens und der weichen Kompromisse. Dies war nur allzu oft die Zeit des Entweder-Oders, des Kampfes: Oben stand die kriegerische Selbstbehauptung und der Wertekanon harter, archaischer Kriegerehre.

Hier war kaum Platz für eine christliche Religion des sanften Umgangs und einer bereitwilligen Teilung knapper Ressourcen mit Fremden, die nicht zur Sippe zählten. Was Wunder, dass der höchste Gott zugleich der Gott des Kampfes war (Wodan, Odin).

Der eigentliche, der oberste Gott war nur vorstellbar als der triumphale Sieger im Kampf, gleichsam der Inbegriff des Gott-Kriegers.

Mochte der, auch wie ein Krieger, durch harte Zeiten gehen, all dass konnte seine Triumphherrschaft nie wirklich überdecken. Er war so allmächtig, dass er auch den Weg durch Härte, nach Art des Kriegers, annehmen konnte ohne aufzuhören jenseits all dessen der triumphale Siegergott zu sein: Das germanische Verständnis des triumphalen Kriegergottes mit dem Gott der Christen in Einklang zu bringen, darum bemühte sich der Heliand, (verfasst um 830 n. Chr.), eine Nachdichtung des Evangeliums Christus triumphans: Der übergroße Wandel der Gottes- und der Weltsicht im Sinn des Christentums sollte lange Generationen dauern.

Kann man die Zunahme der Kriegerinnen- und Kriegernamen mit der Völkerwanderung datieren und dies mit einer „Militarisierung“ der Gesellschaft verbinden, erscheint es angebracht, über Zeiten besonderer Gewalt und „Militarisierung“ nachzudenken und dies auch zu beweisen:

Der Evolutionspsychologe Steven PINKER (2011) xv stieß die Frage der Gewaltentwicklung im Laufe der Geschichte an und eröffnete einen wertvollen Diskurs.

Dabei wurde deutlich, dass Zeiten der Gewalt besonders von Phasen des Ressourcenmangels begleitet sind, wobei natürlich weitere Faktoren die Gewalt bestimmen. xvi

Doch lässt sich Ressourcenmangel naturwissenschaftlich am ehesten bestimmen, so dass mit diesem Indikator festerer Boden der Argumentation erreicht wird, zumal Ressourcen sich mit Klima korrelieren lassen:

Die insgesamt günstigen Klimate im Mittelmeer der älteren römischen Kaiserzeit (um 100 v. Chr. – um 150/200 n. Chr., „römisches Optimum“) hatten sich im Norden vermutlich nicht so günstig ausgewirkt, wie der Fund der Moorleiche von Windeby (Schleswig-Holstein) (41 v. Chr.-118 n. Chr.) nahe legte: In der Mumie fanden sich massive Spuren einer mangelnden Ernährung.

Die Verhältnisse begannen sich im Norden nach 200 n. Chr. massiv zu verschlechtern (deutlich trockener, 200-300 n. Chr.), wodurch sich die Ernten der Nordvölker bei unzureichender Vorratswirtschaft kritisch verminderten, die Gemeinschaften dort zunehmend unter Druck gerieten und diesen Druck in Richtung Imperium weitergaben. xvii

Von 300-450 n. Chr. folgten im Norden kritisch vermehrte Niederschläge bei stark verminderten Temperaturen (Wachsen der Alpengletscher).

Bis 600/650 schloss sich der Umschlag in gravierende Trockenheit bei Kälte an. Hier begann eine besonders kritische Phase (fehlender Siedlungsnachweis ab Ende des 5. Jh. und 6. Jh. in Ostfriesland und dem nördlichen Emsland, massive Siedlungskrise in Skandinavien, Bevölkerungsrückgang mit Wüstungen).

Von einem Tiefpunkt um 600/650 n. Chr. setzte erst dann, sehr zögerlich und von Rückschlägen begleitet, die klimatische Normalisierung bis etwa 700 n. Chr. ein:

Die gesamte Völkerwanderungszeit ist damit als massive klimatische und agrarische Krisenzeit zu erfassen, und dieser Ressourcenmangel bildete sicherlich den Hintergrund einer tendenziell kriegerisch-gewalttätigen Phase mit entsprechenden Antworten der Gesellschaften, wozu die Kriegerinnen- und Kriegernamen zählten: Wenn bereits die Namensforschung den Ursprung dieser Namen in der Völkerwanderung verortete, spricht die Analyse der krisenhaft verminderten Ressourcen eine ähnliche Sprache.

Theriophore Vornamen, also solche Namen, die mythologisch bedeutsame Tiere oder deren Eigenschaften bezeichnen, (etwa „Wolf“ für einen Krieger oder zweigliedrig „Wolfhart“, stark, zäh wie ein Wolf) finden sich bereits in der vermutlich jungsteinzeitlichen indogermanischen Gemeinschaftssprache, im Ur-Indogermanischen xviii und damit in den daraus entstandenen Einzelsprachen (altind. Vrkala für Wolf, griech. Lukaithos, tschech. u. serb. Vlk, russ. Wolk, westgerm. Ulfr, althochd. u. engl. Wolf, schwed. Ulv, gotisch wulfs. Dazu kamen weitere verehrte Tiere und deren Kampfeigenschaften, Bär, Eber, Pferd und Adler. xix

Im Germanischen kam diese Sitte in der jüngeren Römischen Kaiserzeit und dann zu Beginn der Völkerwanderung (200-400 n. Chr.) besonders auf. Auch die angelsächsische Namenswelt kennt solche Bildungen in Fülle. Die Sitte blühte demnach zeitlich bereits vor der Übersiedlung der Angeln und der Sachsen nach Britannien (4. Jh.) auf und wurde dann vom Kontinent auf die Insel mitgenommen (5./6. Jh.), wobei wenige dieser Namensbildungen dann auch wieder vom Kontinent entlehnt wurden: Immerhin bestand der enge Kontakt zwischen Insel und dem Festland über lange Generationen.

Zeitgleich erhielten Frauen vermehrt Kriegerinnen-Namen, wobei Frauen als Kriegerinnen in den Quellen sonst nicht als realer Alltagsfall bekundet werden: Damit überschauen wir den Zeitraum von etwa 150 v. Chr. bis etwa 700/800 n. Chr.: Dies erscheint zunächst als Wissensstand.

Können Hinweise aus dem zeitlich folgenden, mittelalterlichen Skandinavien die hier gestellten Fragen ergänzen helfen?

Im Jahre 1878 begannen Archäologen Überreste des wichtigen frühmittelalterlichen Handelszentrums Birka (südöstliche Mittelschweden) auszugraben (8.-10. Jh. n. Chr.).

Unter den mehr als 3000 Gräbern erregte eines besonders Aufmerksamkeit. In der 3,5 X 1,80 m großen Kammer (Grab Bj581) fand sich ein Skelett mit Grabbeigaben (Schwert, Kampfmesser, Axt, Speer, Bogen, zwei Schilde und zwei Pferde).

Der Leichnam trug männliche Kleidung, einen langen Reiterkaftan und Mütze, aufwändige Trachtenelemente, die Verbindungen zum östlichen Raum der russischen Steppe zeigten. Die Lage des Grabes unterhalb der Burg von Birka mit einer großen Halle verstärkte den Hinweis auf eine militärisch hohe Stellung des Bestatteten. Dazu kam ein über 4 m hoher Findling als Markierung der Grabkammer.

Ohne nähere (osteologische) Knochenuntersuchung folgerte man aus den Waffen und Kleiderresten, der Leichnam müsse einem ranghohen Wikingerkrieger angehören. Nach der Strontium-Analyse, sprich, nach der Stoffuntersuchung, was mit der Nahrung aus dem geologischen Untergrund aufgenommen worden war, darf man den Leichnam als einheimisch betrachten, nicht aus der Steppe Russlands stammend.

Umso mehr Aufsehen erregte das Ergebnis einer genetischen Knochenuntersuchung, die den Toten biologisch als Frau auswies. xx
Wurde bereits dies Ergebnis unter dem Sensationstitel einer „Wikingerkriegerin“ veröffentlicht, so überschlugen sich die Medien mit der Nachricht. Genau dies war es, was die Genderspekulation befeuerte und immer schon hatte hören wollen, jetzt schien dies als „Beweis“ für die Frau als Kriegerin, „was man schon immer wusste“. Mit nüchterner Wissenschaft hatte solch Getöse nicht viel im Sinn.

Erst nach und nach wurden Fragen gestellt: Wenn die genetische Analyse korrekt durchgeführt war, kann eine Verwechselung des Knochenmaterials nach 139 Jahren Lagerung vollkommen ausgeschlossen werden? Dies scheint der Fall zu sein.

Angesichts der exotisch anderen Weltwahrnehmung jener fernen Zeit, ist es denkbar, dass einer Frau die Männerkleidung und die Kriegerausstattung ins Grab mitgegeben wurde, etwa um ihr einen Platz der höchsten Ehre zuzuweisen, oder um sie nach Walhall zu leiten, auch wenn sie nicht Kriegerin war?

Waffen dienten zudem als überragend bedeutsame Machtsymbole. So wurden in SW-Deutschland zur Merowingerzeit auch kleine Jungen mit Schwert bestattet, Zeichen von Macht und Ehre. Grabbeigaben konnten symbolische Inszenierung sein, die nicht die Lebensrealität abbildeten. Wurde hier eine Frau gesellschaftlich als Mann begraben? War es möglich, dass hier der Leichnam einer Frau gefunden war, die das reale Leben lang als Mann auftrat und sich gesellschaftlich als Mann verstand, als Krieger? Sind andere Denkmuster möglich?

Die Knochen der Toten zeigten keine Kampfverletzung. Die Frage der Verstärkung der Knochen an Muskelansätzen (wie beim Krieger vielfach üblich), wurde nicht untersucht.

Gibt es weitere Funde vergleichbarer Art? In Nordre Kjølen (küstennahes Mittelnorwegen) fand sich ein Grab, dessen Skelett eindeutig einer Frau gehörte. Diese lag mit ihrem Kopf auf einem Schild, neben ihr Axt, Speer, Pfeile und ein Reitpferd. Links neben ihr war ein Schwert beigegeben. Der Schädel trug eine Stirnverletzung, die ausgeheilt war.

Ob die Beigabe des Schwertes auf der linken Seite ein Hinweis auf die Frau als Nicht-Kriegerin gelten darf, bleibt fraglich. Schwieriger ist mit der Konstitution der Toten zu argumentieren. Die Frau wog 30-40 kg, erreichte 1,50 m Körpergröße bei mittlerer Körpergröße sonst bei 1,60-1,65 m für Frauen und 1,72-1,76 m bei zeitgleichen Männern. Daraus wird eine schwache Konstitution der Toten abgeleitet, zum Kampf entsprechend kaum geeignet.- So bleibt auch dieser Fund nicht ohne Fragen. xxi

Wo stehen wir mit Wissen?

Unter hunderten Gräber, in denen eindeutig zwischen Mann und Frau zu unterscheiden ist, stellt der Fund von Birka einer (biologisch) ranghohen Kriegerin den bislang einzigen eindeutigen Beleg dar, ist dies (bislang), der erste archäologische Nachweis dieser Art. Mit Vorbehalten schließt sich der Fund aus Mittelnorwegen an. Fragliche weitere Funde stammen aus Großbritannien. Was sagen Schriftquellen?

In der Schlacht der Belagerung der Stadt Dorostopol (am Schwarzen Meer, 971 n. Chr.) unterlagen die arg bedrängten, in der Stadt belagerten Rus-Wikinger aus Kiew den angreifenden Byzantinern. Als diese die Leichen plünderten, hätten sie unter den Toten Frauen in Kriegsausrüstung und Waffen gefunden, ein bekanntes Quellenmuster. Haben Frauen in der schwer bedrängten Lage der belagerten und ausgehungerten Stadt (im Endkampf) mitgekämpft? Davon berichtete Johannes Skylitzes (11/12. Jh. n. Chr.).

Kriegerinnen erscheinen in mehreren Stücken der nordischen Literatur, so etwa in der Hervrar-Saga, der Erinnerung an Kämpfe zwischen Goten und Hunnen (4.-5. Jh.), aufgeschrieben im 13. Jh., dabei kämpfte Hervor als Kriegerin in Männerkleidung. Von der schwedischen Krieger-Prinzessin Thornbjörg berichtete die Hrolfs-Saga. xxii

Darüber hinaus bot das 9./10. Jh. mehreren realen Frauengestalten Raum für sowohl bedeutsames politisches wie militärisches Handeln, so Aethelflaed von Mercia (England) und Gerberga von Sachsen, beide berühmt in der Abwehr der Normannen (Wikinger) oder Olga von Kiew. Sie griffen zwar nicht mit der Waffe selbst ein, doch zeigten überragend hohe, kluge Führungseigenschaften gerade auch im Militärischen.

Auf dem Oseberg-Schiff (erbaut um 830 n. Chr., heute in Oslo) wurden die Hinterlassenschaften zweier Frauen aufgefunden. Die Jüngere (vermutl. um 50 Jahre alt) stammte aus dem Raum des schwarzen Meeres. Bei der Älteren (um 80) handelte es sich vielleicht um eine Priesterin. Es ist auch nicht völlig ausgeschlossen, dass dort die Königin Asa bestattet wurde. Fehlende Metallfunde, vermutlich verursacht durch Grabräuber, verhindern eine Aussage, wie weit Waffen (und Schmuck) ins Grab mitgegeben wurden. In jedem Fall fanden sich die Spuren zweier überragend bedeutsamer Frauen. Eine vertiefende Untersuchung wird derzeit durchgeführt.

Die nordischen Saga-Gestalten verlieren sich am ehesten im Mythos-Nebel, doch bilden sie einen wichtigen Quellenanteil unter dem Stichwort der „Schildmaiden.“ Ihre Realitätsabbildung erscheint aber nicht abschließend auch bewiesen.

Kann man den Kenntnisstand zusammen fassen? Verschiedene Frauen des 9./10. Jh. belegen eindrucksvoll den politischen und militärischen Weitblick ihrer Handlungen als Witwen, wobei sie aber nicht selber in den Kampf eingriffen.

Für die jüngere Eisenzeit (Kimbern) scheint ein persönlicher Kriegseinsatz von Frauen, zumindest im Endkampf, durch Quellen glaubhaft. Die Analyse von Gräbern (Römische Kaiserzeit bis Frühmittelalter) verweist in der Menge (bislang) nicht auf einen Einsatz von Frauen als Kriegerinnen. Auch die älteren Hauptschriftquellen (CAESAR, TACITUS) sehen sie nicht als Kämpferin, sondern eher eingebunden in das Patriarchat der Zeit.

Dagegen betont die Namensgebung seit der Völkerwanderung ihre kriegerischen Fähigkeiten in einer gewaltdominierten Zeit, die sich (jedenfalls bislang nicht) im archäologischen Bild der Frauen spiegelt.

So bildet die Namensgebung mit Betonung der Kriegerinnen-Fähigkeiten denn auch eine der zentralen Fragen, wobei nicht wirklich beantwortet ist, wie weit sie die Realität spiegelten.

Dabei belegen Schriftquellen und die archäologischen Funde die Möglichkeit, dass Frauen, je nach Kriegslage, aktiv ins Kriegsgeschehen eingegriffen haben können, wobei die Quellen nur zum Teil belastbar scheinen. Aufs Ganze gesehen, haben Frauen (nach derzeitigem Kenntnisstand), wenn überhaupt, dann eher vereinzelt und vielleicht in Ausnahmefällen mit der Waffe gekämpft zu haben.

In der nordgermanischen Welt des Frühmittelalters gelten die mündlich tradierten Sagas (altnordische Erzählungen) als einzige Schriftquelle. Durch ihre späte Verschriftlichung (12.-14.Jh.) bilden sie eher Literatur als geschichtliche Quellen ab, wobei sich die Frage stellt, wie weit etwa die Überlieferung der so genannten „Schildmaiden“ literarisch-mythologische Fiktion darstellen. Solcherlei Tradition konzentriert sich in der nebelhaften Saga-Zeit und können nicht ohne weiteres als in unserem Sinn gängige Quellen gelten.

Der Fund der Kriegerin von Birka scheint vordergründig ein Beleg der Kriegerin, doch er wirft, beim näheren Hinsehen, eher mehr Fragen auf als er beantwortet.

Die archäologischen Funde (s. o.) stellen bislang eher Mosaiksteine dar. Sie bilden aber kaum einen abschließenden Beleg für eine aktive Rolle von Frauen als Kriegerinnen der Wikinger- oder Normannenzeit (um 800 – um 1050 /1100 n. Chr.).

Man wird für diese Zeitstufen eher auf weitere Funde setzen müssen, zumal nun die Fragen erkannt und mit der nötigen Sensibilität zu stellen sind: Auch das Fehlen von Berichten über Kriegerinnen in Walhall verstärkt nicht eben das Argument der Kriegerin in diesem Kulturkreis dieser Zeit.

Doch zurück zu den Frauen unserer Region mit dem Namen von Kriegerinnen: Wie lange verstand man solche Namen in der Alltagssprache?

Wie lange hielten sich die Menschen im Norden in inhaltlicher Übereinstimmung mit der Vergabe von Namen, die sich von Kampf und Krieg ableiteten?

Mochte eine Hildegard von Bingen (*1098, +1179) wörtlich noch „Wächterin im Kampf“ genannt sein, so gehörte diese bedeutsame Frau, Wissenschaftlerin, vor allem Christin, sicherlich zu einer Generation, die während der althochdeutschen Sprachphase am Mittelrhein (750-1050 n. Chr.) und kurz danach, einen solchen Namen vermutlich nur noch als Sitte ohne inhaltliches Verständnis führte.

Viel bedeutsamer für die Frage des Auslaufens dieser Namenssitte erscheint es, nach Norden, in den Großraum des Altsächsischen zu schauen und dort nach den Lebensrandbedingungen zu fragen: Das tiefste Klimapessimum war dort um 600/650 n. Chr. erreicht. Auf die massive Siedlungspression wurde bereits verwiesen. Nach aller Härte die ein Mensch ertragen kann, begannen sich die ökoklimatischen Bedingungen erst dann, (bis etwa 700), nur zögerlich zu bessern, ohne dass damit eine Gunstzeit erreicht war und ohne die zahlreichen Rückschläge kurzfristiger Natur: Die Bedingungen verbesserten sich nur sehr allmählich.

Mit Karls dreißig Feldzügen während der Sachsen- und der Friesenkriege (770-804 n. Chr.) war erneut ein brutaler Rückfall in Zeiten von Gewalt gegeben, wenn sich auch Krieg regional sehr unterschiedlich bündelte und nicht zu einer Zeit das ganze Land heimsuchte. Dann folgte schon erneut die nächste Zeit der Gewalt durch Normannen, die brutal von See her, mordend und Menschen raubend ins Küstenland einfielen und eine Militarisierung zur Abwehr nötig machten (ab 810 n. Chr.).

Erst mit Beginn und im Verlauf der nun systematischen Christmission, begann Veränderung, allerdings: Die christliche Unterweisung verlief allzu bescheiden.

Der Stellinga-Aufstand (841) etwa zeigte, dass Christliches nur erst als dünne Schicht gewachsen war, die sich allzu rasch erneut entfernen ließ.

Bis nach 900 (10. Jh.) fand sich im Besitzregister des Klosters Werden für den Raum (heute) Gesamt-Friesland / Emsland nicht ein einziger christlicher Namen in diesem Kulturraum. Die von Kampf und Krieg abgeleiteten Namen der Völkerwanderung verloren erst nach und nach ihre inhaltliche Bedeutung, als das Christentum langsam wirkliche Wurzeln schlug, dies in der Region erst nach etwa 950/1000/1050. xxiii

Eine erheblichen Anteil an normannischer Gewalt trugen Wikinger aus Dänemark bei. Die Überfälle von See her begannen sich erst mit der Christianisierung Dänemarks, nach und nach zu ändern: König Harald Blauzahn von Dänemark (* um 910, +987) musste den Angriff des deutschen Königs Ott I. fürchten. Er ließ nicht nur das Danewerk, die Grenzbefestigung, massiv verstärken, er führte auch das Christentum als „Staatsreligion“ ein, da es zu der Zeit galt, dass christliche Herrscher nicht gegen Christen Krieg führen sollten.

Doch selbst das sich (erst nach und nach) durchsetzende Christentum in Dänemark konnten die Plünderzüge rasch beenden. Diese Form der äußersten Gewalt verebbte erst äußerst langsam, erst um 1050, damit etwa vier Generationen später: Damit entfiel im Norden ein wesentliches Gewalt-Element bei dort gleichzeitig erstarktem Christentum: Dadurch lief das inhaltliche Verständnis der Kriegerinnen- und Krieger-Namen aus und änderte sich zur gewohnheitlichen Sitte

Hier stellt sich die Frage: Wurden solche Krieger/Kriegerinnen-Namen von der christlichen Kirche erkennbar bekämpft?

Für eine systematische Bekämpfung finden sich bislang keine deutlichen Spuren. Von den verehrten Tieren begleiteten manche die vorchristlichen Götter oder waren ihnen nahe.

Andererseits wurden manche Tiere mythisch bereits sehr lange Zeit verehrt, waren auch in anderen indogermanischen Sprachen geachtet. Ihre Heiligung reichte damit ins Vorgermanische: Mythisch heilige Tiere waren Teil archaischer Weltwahrnehmung, und solch tiefe Lederwurzeln der Weltwahrnehmung waren nicht so leicht zu kappen: Wir heute müssen für die in unseren Augen „unbekannte Exotik“ solcher uns fernen Denkmuster offen bleiben, die weltweit in den Altkulturen der Welt wiederkehren (Nordeuropa, Sibirien, Nordamerika). Auf ähnliche Bilder zwischen Mensch und Tier reichen die sehr alte Schichten auch unserer Kultur zurück.

Vielleicht sah man die „Tier-Namen“ in der Spätzeit ihrer Anwendung, mit sich langsam entwickelnder Christianisierung, zumindest zu der Zeit, weniger als Zeichen alter Göttertiere, damit kaum in einen Götterkult gebunden, sondern eher als Zeichen des Kriegerischen – der aber stand auch weiterhin in Ehre, allein schon zur Normannenabwehr. Demnach stellt sich die Frage, wie weit die Namensform überhaupt als antichristlich verstanden wurde. xxiv

In dem hier untersuchten Bereich des Altsächsischen wurden Namen dieser Art wenigstens bis in die Zeit um etwa 1050 wörtlich verstanden. Damit haftete dieser Namensgebung die Tendenz einer deutlichen Willenserklärung an.

Erst mit dem deutlichen Fortschritt der Christenmission, mit der „zweiten Christianisierung“ (ab etwa 1050), begannen die Krieger/Kriegerinnen-Namen ihr Krieger-Verständnis allmählich zu verlieren.

Die vorchristlichen Kriegerinnen-Namen büßten erst fließend, nach und nach ihren alten Inhalt ein. Ihre Zahl verminderte sich deutlich. Doch sie blieben auch bis heute und bilden eine besondere Erinnerung an die älteren Schichten unserer Kultur in Kontinuität und Wandel, auch im Wissen darum, dass allezeit genauso auch die Frau in ihrem Lebensmut die Kriegerin umschließt, dies nur in neuer Form.

Aber, bei allen Fragen zur Dauer dieser Namensgebung:

Entsprachen die Namen von Kriegerinnen je der Lebensrealität, wenn man von Birka, Nordre Kjolen und vielleicht von Oseberg absieht?

Die Sprachforscher glaubten, sie könnten dies verneinen.

Tatsächlich deuten nur wenige Quellen und nicht eben sichere, unmittelbar darauf. Andererseits: Kämpfende Frauen passten vermutlich kaum ins Bild Geschichte schreibender, mönchisch gebildeter Kleriker, Schriftkundige der Zeit. Ist von Ihnen Vollständigkeit, Unvoreingenommenheit zu erwarten? Man darf die Zweifel hegen.

Die archäologische Forschung wird gut beraten sein, Gräber mit Waffenbeigabe nicht voreilig, ungeprüft einem „Krieger“ zuzuordnen. Ohne Detailuntersuchung könnte ein Frauengrab mit Waffen übersehen werden: Hier ist das letzte Wort noch nicht gesagt.

Haben wir hier das heutige Wissen um die Frau als Kriegerin ausgebreitet, kann jeder daraus den aktuellen Wissensstand ableiten: Die Quellen bleiben unbefriedigend. Sie berichten von Kriegerinnen eher in Extremlagen und von der Menge her eher als Ausnahmefall. Im Widerspruch dazu könnte man die Masse der Kriegerinnen-Namen während Völkerwanderung und Frühmittelalter sehen: Waren dies nur „Wunsch-Benennungen“ und nicht Abbild der Wirklichkeit?

Vielleicht lässt sich die Tatsache mitkämpfender Frauen ganz einfach durch die Not des Augenblicks erklären, wenn das gemeinsame Schicksal auf Messers Schneide stand, worauf der bekannte Namensforscher Manno Peters Tammena, Norden, hinwies, (sh. etwa die Kimbernfrauen). xxv

Vielleicht sollte man die hier gestellten Fragen auch anders sehen: Muss sich das Ansehen von Frauen auf die Gestalt der Kriegerin reduzieren und allein dort bündeln? Um wie viel höher steht die Frau als Kriegerin beim Schutz der Schwachen, der Kinder, der Alten, die Hilfe brauchen? Wie hoch steht sie als Kriegerin, im Schmerz-Ertragen bei Geburt? Wie hoch ist sie zu ehren bei Alltagsarbeit, die jedes Maß an Mühe, Geduld und Selbst-Rücksetzung fordert? Die Kriegerin, sie bildet nur den kleinen Teil der Ehre.

Was die Frau als Kämpferin im nordgermanisch Skandinavischen betrifft: Vielleicht sollte man die hier genannten Fragen, zumal sie nun sensibilisiert gestellt sind, der künftigen Forschung überlassen. Vielleicht muss man hinnehmen, dass wissenschaftliche Fragen auch derzeit offen bleiben dürfen. Vertrauen wir auf die Ehrlichkeit der Wahrheitssuche, gleich wie sie ausfällt. Manche Geheimnisse bleiben vorläufig solche – und darin liegen großer Reiz und Ansporn.

Wer allerdings glaubt mit dem gesellschaftlichen Neuverständnis des Christentums wären sehr bald in Fülle christliche Namen vergeben worden, der mag sich wundern, dass genau dies in der Region zunächst nicht geschah. Der älteste Beginn von Christennamen in der Region ist noch wenig erkundet. Vielleicht lief er parallel mit der Gründung zahlreicher Klöster in der Nachbarschaft (12./13. Jh.), doch das bleibt eine neue Frage.

(Albers)

ANHANG mit Endnoten

Dokumentation: Arbeit am handschriftlichen Manuskript: 06.01.2020, EDV-Fassung 07.01.2020: 0.091 // 0.210 // 0.385 // 0.444 // 0.572 // 0.810 // 0.887 // 1.434 // 1.719 // 1.722 // 1.852 // 1.985 // 2.009 // Fertigstellung der Datei im ersten vollständigen Durchgang, 08.01.2020: 2.188 // 10.01.2020: 2.872 // 09.-11.01.2019: 3.450 // Ergänzung um den Teil „Krieger“: 4.002 // 16.01.2020: 4.986 // 21.01.2020: 5.408 // Bis zum 23.01.2020: Vollständiger Durchgang und Überarbeitung: 5.955 // 07.02.2020: 6.450 // 09.02.2020: 6.903 // 10.02.2020: 7.059