Gulfhaus von 1776

TAUCHFAHRT IN DIE ZEIT VOR 1776:

DAS VON GLANSCHE STEINHAUS IN MITLING-MARK

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Im Nordostteil von Mitling-Mark liegt heute ein großer, nun bereits 242 Jahre alter Gulfhof, um den sich in der Region viele Geschichten, Sagen und Vermutungen ranken. Dieser von vielen heute als der „von Glansche Hof“ bezeichnete Bau war Gegenstand langjähriger Untersuchungen der Forschungsgruppe, wobei das Ziel die Erforschung der Baugeschichte und die dauerhafte Bausicherung war. Was ist über das besondere Monument der regionalen Kulturgeschichte auszusagen?

Wenn Sie den folgenden Beitrag sorgsam studieren und sogar bei den genealogischen Angaben nicht die Geduld verlieren, dann werden Sie erkennen können, wie wenig sich Kulturgeschichte einfach rekonstruieren lässt und welche Mühe über lange Jahre dafür zu leisten ist: Die Entwicklungswege sind, wie oft, verschlungen und nur unter großem Aufwand zu entdecken: Dieses Beispiel zeigt Ihnen die überaus schwierige Kriminalistik der Wege zur Erfassung der Kulturgeschichte.

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1776 kennzeichnet ein Schwellenjahr unserer historischen Kenntnis über Mitling-Mark. Fridrich Arends notierte in seiner Erdbeschreibung (1824, S. 245):

Ob es (in der Siedlung Mark) Häuptlinge gegeben hat, ist zwar nicht bekannt, eine Burg war aber zu Mark, welche der noch lebende Landwirt Ontje Holtkamp besaß und 1776 abbrach, auf der Stelle ein neues großes Platzgebäude aufführend.

Es handelt sich hier um die Stelle des großen Gulfhofes in Mitling-Mark, heute im Eigentum der Familie Wurps / Aeikens / von Glan. i

Ist Fridrich Arends Aussage zu beweisen? Wie kam der Verfasser der Geographie- und Wirtschafts-Studie (1824) zu dieser in Einzelheiten gehenden Darstellung über Orte in den damaligen „Tiefen des Landes“, in einer Zeit, als Reisen überaus mühsam und teuer waren? Man darf für Fridrich Arends ausschließen, dass er sehr viele Stellen außerhalb seines Wohnortes aufsuchen konnte, dies auch gerade wegen seiner Behinderung, was Sprechen und Hören anbetraf. „Meist bediente er sich eines Schreibtäfelchens zur Mitteilung und Unterhaltung; die Taubheit war so groß, dass er höchstens heftige Donnerschläge zu hören vermochte.ii

All dies bestärkt die Hinweise, dass Arends nicht selbst vor Ort in Mark war. Er beklagte das Verschwinden von Archivalien über Ostfriesland während der Zeit der niederländisch-französischen Besetzung (1806-1813), so mußten „fast alle geographische(n) und topographische(n) Nachrichten durch Privatmittheilungen und vielfältige Reisen erlangt werden.“ iii

Arends arbeitete nach der Herausgabe seiner Schrift „Ostfriesland und Jever in geographischer Hinsicht“ (1818-1823) an der Datensammlung zu seinem Hauptwerk (1824), aus dem hier zitiert wurde. Er lebte zu dieser Zeit (1823-1833) nahe Haxtum bei Aurich als Landwirt, allerdings unter finanziell ungünstigen Bedingungen. Beruf mit geringer Zeit, Geldmangel und körperliche Behinderung schlossen damit ausgedehnte Reisen und längere Nachfragen vor Ort aus: Vermutlich war Arends nie in Mitling-Mark.

Arends zeitgenössischer Biograph, der General-Superintendent Bartels zu Aurich notierte: „Er trat in ungemein ausgebreitete Korrespondenz mit Leuten, die an Ort und Stelle ansässig und mit den Verhältnissen vertraut waren.iv

Arend merkte an: „Man trifft nicht an jedem Ort auf einen erfahreneren Mann, der die nöthigen Nachrichten erteilen kann und will; denn Kenntnis und guter Wille sind zwei verschiedene Eigenschaften.

Nach diesem Kenntnisstand dürfen wir annehmen, dass Arends zur Zeit der Abfassung seines Manuskripts für sein Buchwerk (1818-1823) durch briefliche Kontakte mit Mark die genannte Auskunft über die dortige „Burg“ in Mark erhielt. Wie sagte sein Biograph? „Der gebrechliche, schwer geprüfte Mann hat viele Starke und Bevorzugte (durch seine Leistung) beschämt gemacht.

Trotz aller Behinderungen und Hindernisse gelang Arends als Erstem eine Arbeit dieser Art, die weitgehend auch heutigen Wissenschaftsansprüchen standhält.

Bei dem von Arends genannten Ontje Holtkamp in Mark handelte es sich um Ontje Ontjens Holtkamp (*30.09.1742 Mark, +10.01.1829 Mark). Er war der Sohn des Hinderk Jansen Holtkamp (*03.04.1712 Holthusen, +25.12.1780 Kirchborgum) und der Meene Onken von Mark (*05.02.1707 Mark, +06.01.1791 Kirchborgum), Tochter des Onke Onken von Mark (*1648,+17.10.1714). v

Hinderk Jansen Holtkamp und Meene Onken von Mark hatten am 14.02.1738 zu Mark geheiratet. Der Schwiegervater Onke Onken von Mark (*1648) war Fähnrich gewesen. Ob er davon lebte oder von Vermögen bleibt unklar. Vielleicht wurde für ihn auch ein bäuerlicher Betrieb geführt, aber nach seinem Tod (+1714), bestand zur Zeit der Heirat seiner Tochter Meene (1738) offenbar keine landwirtschaftliche Wirtschaft.

Meene hatte eine Schwester Ese von Mark (Eese, Eyse, *um 1700, +vor 1738), verheiratet mit Focke (Wartje, Warntje) Schulte (*1698 zu Dorenborg). Beide hatten einen bäuerlichen Betrieb geführt, aber die Landwirtschaft offenbar nach Eses frühem Tod (+vor 1738) wieder aufgegeben.

Das Ehepaar Meene und Hinderk J. Holtkamp kaufte die Einrichtung des bäuerlichen Betriebs vom Schwager F./W. Schulte.

Damit erhielten sie alles, was zur bäuerlichen Wirtschaft nötig war, Haustiere (Pferde, Kühe, junge Rinder), Getreide (Roggen, Hafer), Hausgeräte, (Wagen, Pflug, Egge, Fässer, Käsepresse u. a,). für die Summe von 1.300 ostfriesischen zehnschaapigen Gulden.

Demnach begann das Ehepaar Ontje Ontjes Holtkamp und Meene Onken von Mark nach ihrer Heirat (1738) mit dem bäuerlichen Betrieb, vermutlich auf der ererbten Plaatze in Mark.

Die Ehefrau Meene Onkens von Mark (*1702) hatte offenbar nur die Hälfte des „Steinhausplatzes“ in Mark geerbt.

Der besagte Platz scheint bereits von ihrem Großvater Onke Onkens, dem Jüngeren von Mark (*1620, +vor 1681) im Testament nach dessen Tod (+vor 1681) unter die beiden Söhne geteilt worden zu sein, unter Meene Onkens Vater Onke Onkens von Mark (*1648,+1714) und dessen Bruder Wiard (Wyert) Onkens von Mark (*1650, +1730). Wiard (Wyert) (*1650) heiratete nach Larrelt, war dort Deichrichter und Kirchvogt, kehrte später allerdings nach Mark zurück und starb dort im hohen Alter von 80 Jahren (+1730).

Da Wiard (Weyert) bereits 1730 verstarb, war es wohl dessen Sohn Ontje Weyerts von Mark, der 1738 bei der Hochzeit seiner Kusine Meene Onkens von Mark anwesend und genannt war und im Protokoll ungenau als „Onkel“ bezeichnet wurde, tatsächlich Meenes Vetter war. Ihm gehörte die andere Hälfte des Hausplatzes als sein Erbteil.

Das Ehepaar Holtkamp/von Mark lebte (vermutlich) auf der genannten Hofstelle. Familiär hatte das Ehepaar manchen Schlag hinzunehmen: Von ihren 6 Kindern starben 3 schon im Kleinkindalter.

Wirtschaftlich gelang ihnen manches. Sie wirtschafteten sehr lange 39 Jahre auf der Stelle.

Allerdings scheint dann ihr Anwesen von einem Feuer zerstört worden zu sein, ein schwerer Schlag. vi

Nach dieser langen Zeit (1775) drang Meene Onkens von Mark darauf, auch die andere Hälfte des ihr zur Hälfte von ihrem Großvater vererbten „Steinhausplatzes“ zu erwerben, die dem Vetter Onke Weyers gehörte. Tatsächlich kaufte das Ehepaar diese halbe Platzen-Stelle für 16.000 Gulden (1775), wonach der Gesamtbesitz 32.000 Gulden wert war, eine nicht ganz unbedeutende Summe.

In der Notiz von 1775 wurde angedeutet: „Das Gebäude war abgebrannt, musste neu errichtet werden.“ vii Wann genau es zu diesem Brand kam, bleibt unbekannt.

Tatsächlich errichtete das Ehepaar (1776) einen neuen Gulfhof, der nach nunmehr 242 Jahre, bis heute noch besteht. Der Bau war mit großem Finanzaufwand verbunden. Noch im Jahr davor hatten sie mit 16.000 Gulden die zweite Hälfte des Hausplatzes dazu erworben. Dazu kam jetzt noch der Hausneubau des abgebrannten Hofes. Verfügte das Ehepaar zusätzlich über eine Hofstelle in Weenermoor, musste bei einer solchen finanziellen Kraftanstrengung doch Geld geliehen werden, 12.000 Gulden, die allerdings bis 1793 zurück gezahlt waren.

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Das Datum des Hausneubaus (1776) erscheint glaubwürdig, zumal die Jahreszahl gleich zweimal in der Mauerinschrift des Gulfhofes bestätigt wird.

Das Ehepaar Holtkamp/von Mark hatte damit in einer großen Kraftanstrengung eine große Leistung hinter sich gebracht, die Wohnstelle wieder zur Gänze in den Besitz der engeren Familie zurück gebracht und darüber hinaus den Neubau des Gulfhofs vollendet.

Vermutlich war dies der Zeitpunkt über die weitere Zukunft nachzudenken.

Inzwischen hatte der Sohn des Ehepaars, Ontje Ontjens Holtkamp (*30.09.1742) zu Weener Trientje Jaspers Goemann (*07.05.1749 Weener, +05.10.1808 Mark) geheiratet, (02.09.1772). Ontje Holtkamp übernahm vermutlich kurz nach 1776 den väterlichen Betrieb, auf dem er nun erfolgreich wirtschaftete.

Er war ein engagiert auftretender Mensch mit Selbstbewusstsein, beklagte sich heftig über die, aus seiner Sicht, nicht angebrachte, massenweise Einquartierung preußischen Militärs im Krieg der Engländer und Preußen gegen das revolutionäre Frankreich, die ihn vermutlich selbst betraf. Im April 1795 kam es zum heftigen Schusswechsel über die Ems, die zu der Zeit die Frontlinie zwischen den Kriegsparteien bildete. Aus der Zeit stammt auch die im Mauerwerk des Hofes Folkerts in Mark eingefügte französische Kanonenkugel, die im April 1795 abgefeuert wurde.

Ontje Ontjens Holtkamp war Sielrichter (Deichrichter) in Mark, damit zu seiner Zeit einer der einflussreichsten Personen dort. Sein Selbstbewusstsein gründete sich auch auf ein Briefdokument, das auf seinem Ahne Onke Folkerts von Mark (*um 1559) zurück ging. Der hatte das Familienwappen in Prag verbessert. Er sah das Jagdrecht über das westliche Overledingen bei seiner Familie und fühlte sich zur lokalen Teilverpachtung des Jagdrechts berechtigt.

Es ist deshalb nicht auszuschließen, dass genau er, als bedeutender Mensch in Mark, den Briefwechsel mit Fridrich Arends führte (1818-1823). Ontje Ontjes Holtkamp war zu der Zeit nicht mehr ganz jung (76-81 Jahre), aber offenbar klar bei Verstand. Im möglichen Briefwechsel konnte er auf Beobachtungen zurück greifen, den Bau des neuen Gulfhofes, den er selber im Alter von 34 Jahren miterlebt hatte.

Unter diesen hiermit genau kontrollierten Randbedingungen erscheinen die Anmerkungen von Fridrich Arends über den Gulfhof in Mark glaubhaft, was die Zeit seiner Erbauung angeht (1776). Konnte die mündliche Überlieferung als glaubwürdig untermauert werden, so ist diese Argumentation allerdings noch kein abschließender Beweis dafür, dass „an gleicher Stelle“ vor 1776 eine Vorläufer-Bebauung gestanden hatte.

Genau dies galt es zu beweisen oder eindeutig zu widerlegen: Bis in die Forschungen von 2006 war kein eindeutiges, materiell greifbares Argument dafür nachweisbar gewesen, dass eine Vorläufer-Bebauung an der Stelle des Gulfhofs vorhanden gewesen sein könnte.

Aber wie ist ein solcher Beweis zu führen? Im April 2006, vor nunmehr 12 Jahren, bat das Ehepaar Hermann Aeikens und Margarethe E. S. Aeikens, geb. von Glan, die Forschungsgruppe um die Untersuchung der Hofstelle in Mark, da sich Schäden am Bau bemerkbar machten, denen man nachgehen musste.

Das Ehepaar Aeikens/von Glan öffnete uns den Keller mit der Anmerkung, Fundament und Keller seien aus Klosterformatsteinen aufgemauert und es bestünde die Möglichkeit, dass der Gulfhof von 1776 auf den Grundmauern eines Vorläufergebäudes errichtet worden sei.

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Im Fall eines Alt-Fundamentes aus Klosterformat-Backsteinen müsste dies nach Hausabbruch wenigstens an einigen Stellen eine unregelmäßige Abriss-Oberfläche zeigen. Die systematische Erkundung verdeutlichte: Für den Fundament- und Keller-Bau des Hauses von 1776 wurden Klosterformat-Steine wieder verwendet. Ein Fundament eines Vorläufer-Hauses war dort nicht vorhanden.

Etwa 8 m vor der Hausnordseite war 2006 eine 1,2 m tiefe Grube zur Fundamentierung eines Trockengerüstes ausgegraben worden. Wir untersuchten den Aushub und die Grubenwandung, wiesen als Keramik Bruchstücke glasierter Rotirdenware nach, desgleichen Tabakpfeifen-Reste der Zeit nach 1760, dazu zeitgleiche Fliesenreste, allerdings nicht die kleinste Spur älterer Haushaltsware. Wir dehnten die Keramiksuche auf die gesamte Erdoberfläche rund um die Hofstelle aus, fanden aber keinerlei Spur von älterer Keramik und damit keinen Hinweis auf Siedlungstätigkeit an gleicher Stelle deutlich vor dem Hausneubau von 1776. Da die Klosterformat-Backsteine heran transportiert sein könnten, ergab sich bislang kein sicheres Argument für eine ältere Vorläuferbebauung an gleicher Stelle: All dies war kein Beweis.

Die Eigentümer und Pächter des Gulfhofes wiesen uns 2006 auf schon damals bestehende baustatische Probleme hin. Zu Baugrunderkundung führten wir eine klein dimensionierte Boden-Aufgrabung 10 m vor der Südfront des Hofes aus (1,20 X 1,00 m) und kombinierten diese mit einer Bohrung zur Baugrunderkundung. Dabei ergab sich das folgende Profil:

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-0,45 m Feinsand, schwach schluffig, humos, hellbraun, durchwurzelt, einzelne Reste von Backsteinen und Dachpfannen des Formates des 18. Jh. und jünger, Keramik: Weißes Steinzeug und weißes Porzellan in großer Menge, glasierte Rotirdenware, einzelne Stücke von Bunzlauer Braunware, Pfeifenreste des 18. Jh. und jünger, Glas als Industrie-Pressglas, zuoberst Plastik,

-0,60 m Feinsand dito mit einzelnen Bruchstücken von Kleibrocken, Backsteine und Dachpfannenreste dito, z. T. dicht gelagert, einzelne Reste von Steinen im Klosterformat, Keramikreste dito, Glas als Press- und Waldglas, Rotirdenware, z. T. glasiert, mit Resten großer Haushaltsgefäße und von Töpfen mit Handgriffen aus Keramik (Grapen), weißes Steinzeug, Tonpfeifen jüngeren Designs,

-0,75 m Feinsand dito, hellgrau, sehr schwach humos, gefleckt z. T. gelblich, Stich orange, Backsteine und Dachpfannen des 18. Jh., daneben zahlreiche Bruchstücke von Klosterformatsteinen, zahlreiche Bruchstücke von Rotirdenware, kein weißes Porzellan und kein Steinzeug, Waldglas,

-0,85 m Feinsand schwach schluffig, hell- bis mittelbräunlich, humos, einzelne Bruchstücke von Backsteinen im Klosterformat, einzelne Holzkohlenbruchstücke, Durchmesser bis 2,5 cm, Keramik: Rotirdenware und graue Irdenware („Harte Grauware“), mit Feinsand gemagert, von dieser Schicht reichten Bauten grabender Tiere bis in eine Tiefe von -1,00 m unter Flur, (Ende der Aufgrabung, bei -0.85 m Ansatz der Erkundungs-Bohrung),

-1,40 m Feinsand, cremefarben, weißlich, humusfrei, Spuren einer sehr schwachen Podsolierung, keine materiellen Hinterlassenschaften menschlicher Nutzung, außer dem Fehlen eines deutlich ausgeprägten Podsol-Bodens, (Störung des Naturbodens durch menschlichen Eingriff),

-2,40 m Klei, zuoberst rötlich braun verwitternd, nach unten rasch zähplastisch grau,

-2,90 m Klei bräunlich mittelbraun, humos, z. T. torfig, („Torfklei“), nach unten ins Liegende mit Humusinfiltration in den Feinsand,

-4.00 m Feinsand ohne Humus, fest, natürlich gelagert.

Interpretation: Die Untersuchung, die zur Erkundung des Baugrundes ausgeführt worden war, ließ sich für die Rekonstruktion des Werdegangs des geologischen Profils verwenden:

Zuoberst im Profil (bis ca. -0,30 m) fanden sich Spuren menschlicher Tätigkeit zwischen Gegenwart bis etwa 1950 (Plastik).

Bis -0,65 m unter Flur handelte sich um jungen Aufschutt der Zeit um 1950 bis etwa 1800 und wenig älter, darunter weißes Porzellan und weißes Steinzeug sowie industrielles Pressglas, auch einzelne Tonpfeifenreste des späten 18. Jh., dazu Backstein- und Dachpfannen-Reste des Formats des 18. Jh. und jünger.

Bis -0,75 m lagerten Reste keramischer Rotirdenware, allerdings nun ohne Weißporzellan und ohne weißes Steinzeug, daneben wenige Reste von Klosterformat-Steinen und Kleibrocken.

Bei -0,75 m wurde eine alte Bodenoberfläche, (ein ehemaliger Laufhorizont) gefunden, der von Aufschutt überdeckt war. Bis -0,85 m reichte der humose alte Boden. Er enthielt Bruchstücke von Klosterformat-Steinen und von grauer, ausschließlich mit Sand gemagerter, keramischer Irdenware. Es handelte sich um Reste großer mittelalterlicher Kugeltöpfe, die man zum Kochen über dem offenen Feuer verwendet hatte. Nach dem von der Forschungsgruppe entwickelten Keramikschlüssel wurde solche keramische Küchenware in der Region ab etwa 1250 hergestellt, blieb in gleicher Technologie bis 1400 in Nutzung und verschwand aus der Nutzung um 1415/vor 1430. In einem Volumen von 0,12 m³ des Bodenhorizontes fanden sich 6 deutliche Bruchstücke dieser Haushaltsware. Andersartige, vielleicht ältere mittelalterliche Küchenware war nicht vorhanden.

Konnte man bei den Klosterformat-Backsteinen (Herstellung um 1200/1230-um1575/1600) argumentieren, sie seien vielleicht heran transportiert worden, entfiel dieses Argument für die Keramik (graue Irdenware). Sie musste in nächster Nähe benutzt und entsorgt worden sein, am ehesten innerhalb einer Wohnbebauung wie dies zu der Zeit Sitte war und an vielen Stellen zu belegen ist.

Dies war nunmehr erstmalig ein deutliches Argument dafür, dass in nächster Nähe eine Wohnbebauung im Spätmittelalter vorhanden war, dies in Teilabschnitten der Zeitspanne oder während der gesamten Zeit der Nutzung der grauen Irdenware (um 1250/1300-um 1415/1430). Der materielle Nachweis einer noch deutlich älteren Wohnbebauung in der Zeit vor etwa 1250 war nicht vorhanden.

Von der bodenkundlichen Entwicklung war an gleicher Stelle ein ausgereifter Podsol-Boden zu erwarten. Er war nicht (mehr) vorhanden, sondern bereits durch den wirtschaftenden Menschen im Mittelalter durch Eingriffe in den Untergrund beseitigt worden.

Neben der grauen Irdenware fanden sich wenige Stücke einer technisch wenig perfekt glasierten, dickwandigen Rotirdenware (Aufkommen als Massenware in der Region ab etwa 1415/1430).

Allerdings besteht ein leidiges Problem: Die Rotirdenware ist schwer datierbar, wenn sie nur in kleinen Bruchstücken vorliegt, was hier der Fall war. Somit lässt sich bislang, nach kleinstückigen Resten der roten Irdenware, nicht abschließend beweisen, ob die Besiedlung nach dem Spätmittelalter durch die Neuzeit an gleicher Stelle fortgesetzt wurde, (Zeitspanne um 1430-1776). Allerdings wurde bislang keine keramische Importware aus diesem Zeitfenster an dieser Stelle nachgewiesen. Gleiches gilt für Pfeifen der Zeit vor etwa 1760: Eine durchgängige Besiedlung an gleicher Stelle seit dem Spätmittelalter erscheint damit als nicht bewiesen und eher nicht wahrscheinlich.

Was lässt sich dann zur Bebauung in Mark während der frühen Neuzeit (ab etwa 1492/1500 rekonstruieren?

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Die Familie von Mark siedelte am ehesten um 1480/1520 nach Mark über. Wir stoßen damit in eine Zeit vor, aus der bislang nur sehr wenig bekannt ist. Es ist nicht auszuschließen, dass die von Mark Wohnbauten von ihren Vorgängern übernahmen. Allerdings: Diese Frage bleibt, aus Quellenmangel, derzeit ohne eindeutige Antwort.

Da für die Familie von Mark erhebliche materielle Ressourcen anzunehmen sind, erscheint es nicht ausgeschlossen, sogar plausibel, dass sie sich eigene Wohngebäude nach ihrer Vorstellung neu errichten ließ.

Wie baute man in der Tradition der Hovetlinge um 1480-1520? Nach 1436, nach dem Ende der friesischen Einigungskriege, aus denen die Cirksena als Sieger hervor gegangen waren, wurden Steinhäuser vom Typ des Steinhauses, der Wohn-Turmburg von Bunderhee nicht mehr errichtet.

Stattdessen war bereits um 1400/1410, vielleicht schon etwas früher, ein neuer Bautyp eines „Steinhauses“ aufgekommen, das Haus vom Typ des Pastorenhauses von Stapelmoor, ein wirkliches Wohnhaus: Da kriegerische Handlungen größeren Stils nach 1436 angesichts der neuen Zentralmacht in Ostfriesland weitgehend unterbunden wurden, entfiel damit der Grund der Neuerrichtung solcher Bauten, es sei denn die von Mark hätten einen solchen Bau von den Vorgängern übernommen.

Für einen eigenen Neubau im neuen Stil sprechen allerdings deutliche Argumente: Mit Neu-Auftreten der Familie von Mark in Mark musste sich deren Prestige auch in der Wohnart zeigen lassen, zumal die Familie sicher über die finanziellen Mittel auch verfügte. Außerdem: Der neue Baustil war, im Gegensatz zu den Wohn-Turmburgen (im Stil von Bunderhee) deutlich bequemer und wohnfreundlicher. Damit sprechen wichtige Argumente für die Errichtung eines Neubaus im neuen Stil. Solche neue Architektur wurde gleichwohl (aus Gewohnheit) weiterhin als „Burg“ bezeichnet. Man siehe dazu etwa die so genannte Sparringa-Burg in Stapelmoor. Die Bezeichnung „Burg“ bei Fridrich Arends (1824) verweist damit auf keinen Fall eindeutig auf eine Turm-Wohnburg des Typs von Bunderhee.

Wo wäre eine solche Neubebauung durch die frühe Familie von Mark am ehesten errichtet worden?

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Ein Blick auf die Logik von Landschaft und Naturraum ergibt den Hinweis, dass um 1480/1520 und auch danach die Emsdeiche unsicher waren und man sich, soweit als möglich, auf sie nicht verließ. Zu der Zeit ereigneten sich zahlreiche Sturmfluten (so etwa 1477 die Cosmas- und Damianflut, 1488 die Galllus-Flut, 1509 die Zweite Cosmas- und Damianflut, 1510 die St. Magnus-Flut u. a.).

Nach diesen Randbedingungen wurde die neue „Herrenhaus-Bebauung“ am ehesten an der sichersten Stelle von Mark errichtet. Genau das aber war die Hochlage des Dorfes Mark an der Stelle, wo heute an der Großen Stiege die Häuser von Kromminga und Thiedeken stehen.

Da gegenüber Fridrich Arends keine Aussage erfolgte, 1776 sei ein Neubau „an gleicher Stelle“ errichtet worden, erscheint es, bei Würdigung von Landschaft und Naturraum eher wahrscheinlich, dass die Vorgänger-Bebauung des Hofes von 1776 auf der Höhe von Mark lag.

Im Jahre 1775 hatte eine schwere Sturmflut die Emsdeiche zwischen Dersum und Papenburg und weiter flussabwärts schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die anschließenden Monate waren von intensiver Arbeit erfüllt die Schäden rasch zu schließen. Mit diesen Deich-Bauarbeiten erreichte man tatsächlich die weitgehende Beseitigung der Schäden, sogar noch mehr: Es schien den Menschen an der Unterems nun so als seien sie gegenüber erneuten Fluten recht gut gewappnet.

In Mark errichtete die Familie Folkerts einen großen Gulfhof nicht auf der bislang sicheren Höhe (um +5,0 m ü. NN) sondern nun am Fußbereich des Wohnhügels von Mark-Nord auf einer Höhe von nunmehr etwa +2,90 m ü. NN. hinter dem neu errichteten Deich.

Vielleicht war es genau dieses Gefühl erneuter Sicherheit, dass auch das Ehepaar Holtkamp bewog, den hohen Hügel zu verlassen und nun, im Nordostteil von Mark, den Gulfhof auf einer Höhe von nunmehr +1,70-2,20 ü. NN zu errichten. Unsere Untersuchungen ergaben, dass dort für den Bau keine Boden-Aufschüttung durchgeführt wurde, demnach dort keine Wurt entstand. Bemerkenswerterweise wurde dort das Gelände in Teilen um den Gulfhof etwas schräg abgetragen, so im Norden, Westen, schwach auch im Süden, so dass eine mögliche Wasserflut möglichst rasch abfließen konnte.

Da Baumaterialien kostbar und teuer war, können vom alten Standort auf der Höhe Backsteine im Klosterformat zur Baustelle des Gulfhofs gekarrt worden sein, zur Wiederverwendung am Neubau.

Klosterformatsteine seien in großer Zahl in chaotischer Lagerung im Bereich des Grünlandes unmittelbar östlich der Auffahrt zum Gulfhof vorhanden gewesen, für den von Süden Kommenden auf der rechten, östlichen Seite, jenseits des Schlootes, dies nach Aussage von Herrn Michael Wübbels, wie er dies auch von seinem Vater hörte (1960 und früher). Vielleicht lag dort eine Stelle zu Zwischenablagerung des recycelten Baumaterials auf dem Weg von der Höhe von Mark in Richtung zur Baustelle des neuen Gulfhofs (1776). Es bleiben manche Fragen.

Kurzfassung: Versucht man die offenbar äußerst komplizierte Geschichte des Baus des Gulfhofes von 1776 und Vorläuferbauten zu rekonstruieren, lautete dies etwa wie folgt:

Der von Glansche Gulfhof wurde dort (1776) neu errichtet. Eine Vorläuferbebauung im Spätmittelalter war dort vorhanden (Zeitfenster 13.-15. Jh. oder Teile davon). Ältere Siedlungsspuren waren bislang nicht nachweisbar. Für die frühe Neuzeit (15.-17. Jh.) ist dort eine Siedlungstätigkeit bislang nicht sicher auffindbar und war eher nicht vorhanden. Wahrscheinlich lebte die Familie von Mark auf den hochflutsichersten Höhen der Siedlung Mark.

Der Gulfhof von 1776 wurde neu errichtet, vermutlich ohne zeitgleiche Vorläufer-Bebauung an der gleichen Stelle. Als wieder verwendetes Baumaterial wurden vermutlich Klosterformatsteine zur neuen Baustelle aus dem Abbruch der Altbebauung von der Höhe angefahren. Der Gulfhof besteht nunmehr seit 242 Jahren und bildet ein historische Monument der regionalen Geschichte ersten Ranges. Dies war das Motiv für die Forschungsgruppe für die jahrzehntelange Arbeit zur Erkundung und Erhaltung.

(Forschungsgruppe)

Quellen:

Roth, W., (1974): Die Eigentümer und Besitzer der „Burg“ auf der Warf in Mark.- Quellen und Forschungen zur Ostfriesischen Familien- und Wappenkunde, 23. Jahrgang, Heft 1-2, Aurich (zitiert wird hier nach einem maschinenschriftlichen Manuskript gleichen Inhalts, danach die Seitenzahlen)

Holtkamp, H.-F., (undatiert): Suchen, Aufspüren, Ermitteln- Zeitreise durch die Familiengeschichte Holtkamp (Familienchronik Holtkamp, 200 Seiten, nicht publizierte, familieninterne Schrift)

Arends, F., (1824): Erdbeschreibung des Fürstenthums Ostfriesland und des Harlingerlandes.- (1972, Reprint Verlag Schuster in Leer)

Doku: 18.11.2018: 0.165 // 0.269 // 0.536 // 0.920 // 1.154 // 19.11.2018: 1.711 // 2.048 // 2.167 // 2.449 // 20.11.2018: 2.985 // 3.167 // 3.639 // 3.646 //

iDie Quellenangaben beziehen sich auf die notierte Literatur.

iiARENDS, F., (1824, S. 596)

iiiARENDS, F., (1824, S. VI)

ivBARTELS in ARENDS, F., (1824, S. 593)

vHOLTKAMP, H.-F., (undatiert): Folgend wird nach diesem Werk zitiert, was die Genealogie betrifft.

viDie genaue Datierung des Brandes ist unbekannt.

viiHOLTKAMP, H.-F., (undatiert, S. VIII)

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